das-vergessene-maedchenAuf einer Klassenfahrt verschwindet die junge Lea spurlos. Erst kürzlich wurde ein Mädchen entführt und umgebracht, der Täter ist noch immer auf freiem Fuß. Steckt hinter Leas Verschwinden der ältere Mann, mit dem sie eine Affäre hatte? Was ist mit dem unglücklich verliebten Mitschüler, der wie vom Erdboden verschluckt ist? Dann überschlagen sich die Ereignisse: Ein Mitarbeiter von Kripochef Gerlach wird angeschossen. Der verliebte Mitschüler liegt bewusstlos auf der Intensivstation. Und von Lea keine Spur …

 

 

Buchinformationen

  • April 2013
  • Piper Verlag, München
  • 320 Seiten / Taschenbuch
  • 12,99 Euro
  • ISBN 9783492272599


Was die Presse sagt

Krimi-Couch.de

Wolfgang Burger besticht mit einem dichten, starken Plot, erzählt schnörkellos seine überzeugende Geschichte und findet genau die richtige Balance zwischen eigentlicher Krimi-Handlung und Privatleben seines Ermittlers. Sehr gut!

 

Leseprobe (Romananfang)

 Anfangs dachten wir alle, Lea sei einfach nur vergessen worden. Sie war neu in der Schule, wohnte erst seit wenigen Monaten in Heidelberg und – all das erfuhr ich natürlich erst später und in kleinen Häppchen – hatte sich noch nicht wirklich eingelebt in ihrer neuen Heimat.

Die beiden zehnten Klassen des Helmholtz-Gymnasiums hatten einen Bildungsausflug nach Straßburg gemacht, um dort das Europaparlament zu besuchen und anschließend eine Führung durch das berühmte gotische Münster über sich ergehen zu lassen. Im Parlament hatten die mäßig beglückten Jugendlichen die Ehre gehabt, einer Diskussion über die EU-weite Normung von Rostschutzlacken beizuwohnen. Das Münster fanden manche ziemlich cool, andere irgendwie groß, die meisten jedoch einfach nur kolossal alt und ätzend langweilig. Im Lauf des Tages war die Veranstaltung mehr und mehr aus dem Ruder gelaufen. Eine Gruppe von Mädchen hatte sich schon kurz nach Mittag verflüchtigt, um anstelle alter Kirchen lieber moderne Boutiquen zu besichtigen. Andere gingen einzeln ihren Interessen nach. Der verbleibende Rest wurde von den begleitenden Lehrkräften noch durch das pittoreske Viertel Petit France gescheucht, und am Ende waren auch die beiden Lehrer erleichtert, als sie ihren gähnenden und nörgelnden Schützlingen drei Stunden frei geben konnten, um auf eigene Faust die Straßburger Weihnachtsmärkte zu erkunden. Vereinbarter und mehrfach verkündeter Abfahrttermin war einundzwanzig Uhr. Und zwar pünktlich.

Um einundzwanzig Uhr sechsunddreißig waren die letzten eingetrudelt, eine glühweinselig singende gemischtgeschlechtliche Rasselbande. Die Lehrer zählten durch, und als das Ergebnis nicht stimmte, zählten sie ein zweites und drittes Mal durch. Aber immer war das Ergebnis entweder zu niedrig oder zu hoch, da ständig jemand den Platz wechselte, irgendwer gerade auf der bordeigenen Toilette saß oder für eine letzte Zigarette noch einmal kurz an die frische Luft musste. Der Fahrer maulte, man sei zu spät, und wenn er nach Mitternacht nach Hause komme, müsse er einen Aufschlag berechnen. Schließlich gaben die Lehrer das Signal zur Abfahrt, da alle Anwesenden lautstark versicherten, ihre Sitznachbarn vom Morgen seien anwesend. Erst unterwegs, auf halbem Weg nach Heidelberg fiel jemandem auf, dass Lea fehlte. Man versuchte, sie auf dem Handy anzurufen, welches jedoch nicht erreichbar war. Die Lehrer überlegten hin und her, was zu tun sei, und beschlossen schließlich, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen und nach der Heimkehr Leas Eltern zu benachrichtigen. Schließlich war das Mädchen kein Kind mehr, würde in wenigen Wochen volljährig werden. Außerdem war man ein wenig erschöpft von dem turbulenten und überlangen Tag.

Was die Lehrer nicht wussten, nicht wissen konnten: Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als der Bus voller inzwischen größtenteils schlafender Zehntklässler das romantische Heidelberg erreichte, wurde am Rand einer einsamen Landstraße etwa zwanzig Kilometer vom Straßburger Stadtzentrum entfernt eine unbekleidete weibliche Leiche gefunden.

Zum Zeitpunkt ihres Verschwindens war Lea Lassalle siebzehn Jahre elf Monate und drei Tage alt. Sie war ein hübsches, schlankes Mädchen mit sehr eigenwilligem Charakter. Und hätte ich geahnt, wie sehr ihr Schicksal in den folgenden Wochen mein Leben durcheinander würfeln würde, so hätte ich schleunigst Urlaub beantragt und den nächsten Zug in Richtung Süden bestiegen.

Wie so oft, fing alles ganz harmlos an ...