eiskaltes-schweigenFröstelnd steht Kriminalrat Alexander Gerlach vor der Leiche von Anita Bovary. Die Frau, die erstochen in ihrer kleinen Wohnung aufgefunden wurde, lebte isoliert, hatte weder Freunde noch Bekannte. Im Umfeld der Toten stößt er auf mehr und mehr Ungereimtheiten, nichts ist, wie es scheint, jede Spur führt in eine Sackgasse. Erst als eine zweite Leiche gefunden wird, fügen sich die Indizien zum alarmierenden Bild. Gerlach beginnt zu fürchten, dass es noch mehr Opfer geben könnte. Es kommt jedoch noch sehr viel schlimmer, als er sich ausmalen kann, denn er hat ein wichtiges Detail übersehen …

 

Buchinformation

  • Erschienen im Juni 2010
  • 7. Auflage November 2015
  • Piper Verlag, München
  • 9,99 Euro
  • ISBN 9783492254731

  • 304 Seiten / Taschenbuch


Was die Presse sagt

Der Kurier

Burger schreibt glasklare Plots, bleibt realitätsnah und vor allem ganz nah am Personal ... Ein klassischer, detailfreudiger Burger mit sehr viel Witz und Grips.

Darmstädter Echo / Odenwälder Echo

"Eiskaltes Schweigen" ist ... ein fein geschliffener, spannender und unterhaltsamer Roman ... Burger zeichnet seine Figuren transparent, ohne ihnen ihr letztes Geheimnis zu rauben ... Das beeindruckt und wirkt stets authentisch.

Klappe auf

Zu den spezifischen Qualitäten des Karlsruher Autors, dessen Krimis mittlerweile bundesweit Beachtung finden, zählen die pointierte Menschenschilderungen, der genaue Blick für die unterschiedlichen Milieus, in denen sich die handelnden Figuren bewegen, für die kleinen Begebenheiten am Rande ...

Cellesche Zeitung

Ein solider Krimi, der mit bewährten Mitteln arbeitet, deswegen aber nicht weniger überzeugt. Zumal es noch einen finalen Kunstgriff gibt, mit dem der Autor in "Eiskaltes Schweigen" dem Fall mehr Tiefe verleiht.

Rhein-Neckar-Zeitung

Auf den nun folgenden 100 Seiten gewinnt der Krimi so an Tempo und Spannung, dass es einem selbst an heißen Sommertagen kalt über den Rücken läuft.

 

Leseprobe

 Die letzten Meter zu meinem Peugeot rannte ich, weil der Regen mit jeder Sekunde weiter zunahm. In der Eile bekam ich den Schlüssel nicht gleich ins Schloss. In der Nähe klappte eine Autotür, endlich passte der Schlüssel, das Schloss klickte, ein mächtiger Stoß traf mich im Rücken und warf mich gegen den Wagen. Im nächsten Moment hatte ich einen kräftigen Männerarm um den Hals und wurde vom Gewicht seines Besitzers gegen die Fahrertür gepresst.

»Was …«, presste ich heraus. »Was soll das?«

Ich erwartete, dass der Verrückte hinter mir mein Portemonnaie oder meine Brieftasche verlangen würde. Oder die Wagenschlüssel. Aber wer stielt schon ein sechzehn Jahre altes Auto, das noch nicht einmal elektrische Fensterheber hat?

»Ich war’s nicht, hörst du?« fauchte er mir stattdessen mit heißem Atem ins Ohr. »Ich bin’s nicht gewesen, du Arschloch!«

»Was sind Sie nicht gewesen?«, quetschte ich heraus.

Allmählich wurde mir die Luft knapp. Ich wand mich, versuchte, mich zu befreien, aber er war stärker als ich und eindeutig in der besseren Position.

»Das weißt du ganz genau, Arschloch! Du hetzt mir die Bullen auf den Hals, weil du denkst, ich hätt die Anita umgebracht!«

Es war nicht mein Verstand, der schließlich reagierte. Es waren tausendfach trainierte Reflexe, die völlig automatisch abliefen. Ich trat ihm hart auf den Fuß, im nächsten Augenblick bekam ich wieder Luft, und eine Sekunde später lag Armin Kettenbach ächzend und zusammengekrümmt in einer Pfütze. Ich öffnete die Wagentür, innen ging Licht an, und nun konnte ich ihn endlich sehen. Mir zu Füßen wand sich ein etwas zu kurz und zu breit geratener Mann und hielt sich den Bauch. Er steckte in einem blassblauen Jeans-Anzug und trug unglaublich schmutzige Puma-Sportschuhe.

»Stehen Sie auf«, herrschte ich ihn an.

Er gehorchte, aber es war eine ziemliche Prozedur, bis er wieder auf seinen im Moment etwas wackligen Beinen stand. Immer noch stöhnend hielt er sich den Magen, wo ihn vor wenigen Sekunden mein Knie getroffen hatte. Ich war überrascht von meiner eigenen Reaktion. Mitleid verspürte ich nicht.

»Kommen Sie«, sagte ich, »steigen Sie ein. Nein, warten Sie …«

Ich wollte keinen vor Nässe triefenden und sich womöglich erbrechenden Kerl im Auto sitzen haben. »Gehen wir da rüber zur Bushaltestelle.«

Ich ging voran, Kettenbach folgte mir hinkend und jammernd. Sekunden später saßen wir in trübem Licht nebeneinander auf einer Holzbank unter einem Dach, auf das wütend der Regen prasselte.

»Sie sind doch dieser Gerlach?«, fragte Kettenbach kläglich »Sie sind doch dieser Kriminaldings Gerlach?«

»Allerdings, ich bin der Kriminaldings. Und Sie haben sich gerade in eine ziemlich unangenehme Situation gebracht.«

»Es hat verdammt lang gebraucht, bis ich Sie gefunden hab!«

»Warum sind Sie nicht einfach in mein Büro gekommen? Wir hätten in Ruhe miteinander reden können und uns nicht im Regen prügeln wie Halbstarke.«

»Ich …« Kettenbach verzog das Gesicht. Mein Tritt war wohl ziemlich hart gewesen. Hoffentlich hatte ich ihn nicht ernstlich verletzt. »… nicht getraut.«

»Aber mir an den Hals zu gehen, das haben Sie sich schon getraut.«

»Das war verrückt von mir. Entschuldigung.«

»Machen Sie keine Witze!«

»Ich hab so lang gewartet und gegrübelt und gewartet. Ich bin total ausgetickt, tut mir echt leid, Mann!«

»Was wollen Sie denn eigentlich von mir?«

»Ihnen sagen, dass ich die Anita nicht umgebracht hab. Das ist es doch, was Sie denken: Dass ich sie umgebracht hab.«

»Sie hatten ein prima Motiv. Sie hatten die Gelegenheit. In der Tatnacht waren Sie nämlich nicht an Ihrem Arbeitsplatz, wie Sie mir erzählt haben. Sie haben Frau Bialas in den Wochen vor der Tat ungefähr tausendmal angerufen.«

»Ich bin’s aber nicht gewesen. Ich war in Genf, in der Nacht.«

Kettenbachs roch nach einem teuren After-Shave, das nicht zu seinem billigen Jeans-Anzug passte. Eine Weile schwiegen wir.

»Ist schon ein Elend mit den Frauen«, murmelte er schließlich. »Man kann nicht mit ihnen leben, man kann nicht ohne sie leben.«

Ich nickte unwillkürlich.

»Sie kennen sich damit aus?«

Mein Nicken war ihm nicht entgangen.

»Welcher Mann tut das nicht?«, seufzte ich.

»Schwule«, erwiderte er ernsthaft.

»Die haben vermutlich ähnliche Probleme. Nun sagen Sie schon, wo waren Sie in der Nacht?«

»Im Bett«, seufzte er. »Bei einer Nutte. Bei einer kleinen, dreckigen Nutte bin ich gewesen und hab’s mir ordentlich besorgen lassen. Und wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Das mach ich öfter, seit die Anita … nichts mehr von mir … wissen will.«

»Sie können Sie nicht vergessen?«

»Ich denk nichts Anderes, von morgens bis abends, als Anita, Anita, Anita. Hab gedacht, wenn ich weit weg bin, dann wird’s besser. Wird’s aber nicht, es wird nicht besser. Und jetzt ist sie tot. Ich bin fast verrückt geworden, die letzten Tage. Hab’s einfach nicht mehr ausgehalten in dem blöden Genf. Ich musst wenigstens noch mal das Haus sehen, wo sie gewohnt hat, irgendwas, verstehen Sie? Wo ich mit ihr zusammen gewohnt hab, irgendwas musst ich noch mal sehen. Ich weiß, es ist bescheuert, aber ich konnt einfach nicht anders. Hab seit drei Tagen nicht mehr geschlafen. Seit ich weiß, dass sie tot ist, hab ich nicht mehr geschlafen.«

Ich schwieg. Was sollte ich sagen?