der-mord-des-hippokratesDoktor Bernhard Quentin, erfolgreicher Arzt mit gut gehender Praxis und festen Prinzipien, hat eine Frau ermordet. Von seinem Opfer weiß er kaum mehr, als dass sie Griechin ist und seine Patientin war, als er sie vor etwas mehr als 32 Stunden kennen lernte. Wenig später hat er mit ihr geschlafen und zum ersten Mal in seinem Leben seine Frau betrogen.
Er vermutet, dass ihm jemand eine Falle gestellt hat, dass er erpresst werden soll, und beginnt auf eigene Faust, die Hintergründe seines Mordes aufzudecken. Was er herausfindet, ist um vieles schlimmer als alles, was er sich vorstellen konnte ...

 

Buchinformation

  • Erschienen im Juni 2003
  • Leda-Verlag, Leer
  • 192 Seiten / Taschenbuch
  • 8,90 Euro
  • ISBN 978-3-939689-36-2


Was die Presse sagt

Could not load widget with the id 69.

 

Leseprobe (Romananfang)

Also, die Sprechanlage, Bettina:
"Doc, ich hab' Doktor Schmerbeck auf Leitung zwei, es sei wichtig. Soll ich durchstellen?"
Frau Heldt hatte ihre gute Neuigkeit schon incorporiert, schniefte ein bisschen vor sich hin, tupfte die Augenwinkel mit einem rosa Tüchlein, das todsicher nach Lavendel roch, und rang um Fassung. Vermutlich würde sie ganz froh sein, wenn sie ein paar Sekunden Pause hatte, um sich wieder zu fangen, also war die Störung tolerabel. Ich nickte ihr entschuldigend zu, sie lächelte wehmütig-glücklich, ich machte im Stuhl eine Vierteldrehung nach links, lehnte mich zurück, streckte die Beine von mir und ergab mich in mein Schicksal.
"Geht okay. Stellen Sie durch."
Winfried Schmerbeck, auch im Club, Apotheker, die Park-Apotheke gleich um die Ecke. Der flotte Winni, ein lustiger Kerl, standhafter Junggeselle, leichter Hypertoniker, notorischer Spaßvogel mit starkem Hang zu schmutzigen Witzen und, obwohl er mit seinen roten Haaren und seinen Sommersprossen gar nicht danach aussieht, mit einer für mich immer wieder verblüffenden Wirkung auf Frauen. Daneben ist er Golfspieler mit ordentlichem Handycap und Sportwagenfahrer. Irgend so ein italienischer Nobelhobel, von dem ich nicht einmal genau weiß, wie man den Markennamen schreibt. Winni stammt aus anderen Verhältnissen als ich, hatte schon als Kind Geld, und immer mehr als genug. Einer von den Typen, die als Student im Porsche und mit Samsonite-Köfferchen eine Viertelstunde zu spät zu jeder Vorlesung kommen. Dabei ist er keineswegs überheblich, immer freundlich, immer lustig, immer bereit, einem zuzuhören. Das prägt den Charakter, wenn man nie wirklich kämpfen musste, wenn man schon immer auf der Sonnenseite gelebt hat, wenn man sein Selbstbewusstsein nicht erstreiten musste, sondern nebenbei beim Spielen im Laufställchen gefunden hat. Anja mag ihn ganz gern, ich weniger. Sie findet ihn temperamentvoll, unterhaltsam und charmant, ich finde ihn laut und oberflächlich. Aber wahrscheinlich bin ich nur eifersüchtig auf seinen nervtötenden Erfolg beim anderen Geschlecht.
Und ich kann Leute nicht ausstehen, die immer gute Laune und für alles Verständnis haben.
"Bernhard? Du, entschuldige tausendmal die Störung. Ich habe hier 'ne Frau im Laden stehen, eine Ausländerin. Sie will ein Medikament, das es bei uns nicht gibt. Und sie kann kaum Deutsch. Jemand muss sie sich ansehen und was Passendes verschreiben. Kannst du sie zwischendurch reinnehmen und mal kurz durchchecken?"
So was kommt hin und wieder vor. Manche Leute gehen nicht zum Arzt, sondern gleich in die Apotheke, um sich ihr Mittelchen auf eigene Verantwortung zu kaufen. Zu den Aufgaben des Apothekers gehört es, da in kritischen Fällen einzuschreiten und sie zum Arzt zu schicken. Das ist richtig so, das muss man unterstützen. Und außerdem - ich fühlte mich gerade so gut. Also, warum nicht.
"Lässt sich machen. Schick sie mir rüber."
"Prima, dank' dir. Und, wie geht's sonst, was machen die Geschäfte?"
"Kann nicht klagen."
"Und die werte Frau Gemahlin?"
Ich hasse Leute, die immerzu meinen, reden zu müssen, wo schon alles gesagt ist.
"Gut, soweit ich weiß. Man sieht sich ja nicht mehr so oft."
"Ja, ja, die böse Arbeit, nicht wahr?" Er lachte schon wieder. "Na, trag's mit Fassung. Es soll vereinzelt Menschen geben, denen es noch dreckiger geht als dir und mir, auch wenn man es nicht für möglich halten sollte. Und in ganz bösen Momenten: Denk an das kleine freundliche Konto in der Schweiz, das hilft oft über das Schlimmste hinweg! Grüße Anja von mir, falls du sie doch irgendwann doch mal triffst."
"Werd versuchen, dran zu denken."
"So was lässt man sich von seiner Sekretärin in den Kalender eintragen!"
"Wenn du meinst ..."
Warum hört er nicht auf damit? Muss ich noch einsilbiger werden?
"Also, ich mach das jedenfalls so. Geburtstage und solchen Kram, dafür ist meine Mareike zuständig. Die besorgt mir sogar die Geschenke, wenn ich will. Ungemein praktisch, solltest du auch mal überlegen. So, genug gequasselt ..."
Hurra! Er hat's begriffen!
"... Ich schick sie dir rüber, guck sie dir an. Sie ist es übrigens wert, das Angucken, glaub mir!" Die übliche dreckige Lache.
Ich hatte schon nicht mehr richtig zugehört.
"Wer, Anja?"
Und wieder lachte er.
"Klar, die natürlich auch, aber in diesem Fall meinte ich diese Ausländerin hier. Griechin ist sie, glaub ich."
"So, na da bin ich aber gespannt."
Gelogen: Ich war kein bisschen gespannt. Er ging mir auf die Nerven mit seinem Smalltalk- Geblödel. Er fing schon wieder an, vermutlich weil ihm im letzten Moment noch einer seiner halbseidenen Herrenwitze eingefallen war, aber jetzt war genug. Ich würgte ihn ab.
"Entschuldige, Winni, ich hab gerade eine Patientin."
Mein erster Fehler: Ich habe die Griechin kommen lassen, obwohl sie keinen Termin hatte und das Wartezimmer voll war. Ich hatte einfach zu gute Laune, wegen dieser Frau Heldt vermutlich. Hätte Frau Heldt Magenkrebs gehabt, dann würde Katharina noch leben, und ich säße jetzt zu Hause, neben meiner fernsehenden Anja, würde ein Buch lesen oder mich wieder einmal vor Langeweile besaufen. Nein, vermutlich würde ich längst schlafen.
Ich hatte also zugesagt und wusste noch nicht, dass ich in diesem Augenblick in eine Achterbahn gestiegen war. In tiefer Nacht in eine unbeleuchtete Achterbahn ganz für mich alleine, auf einem stockdunklen, tödlich lautlosen Rummelplatz. Es gab einen unmerklichen Ruck und die Fahrt begann.
Ich informierte Bettina, und schon zehn Minuten später war sie da. Sie kam herein, hoch gewachsen und, wie schon gesagt, auf eine unbeschreibliche Weise schön und auch wieder nicht. Sie hatte etwas Strenges, Abgezirkeltes in ihren Bewegungen, eine aufrechte, stolze Haltung, wie eine Tänzerin vielleicht, oder eben eine griechische Göttin. Sie war Mitte zwanzig und verfügte, soweit ich sehen konnte, über einen Corpus vom Allerfeinsten. Nicht übertrieben schlank, aber auch nicht zu üppig, alles gerade so, wie es meiner Meinung nach sein sollte. Auch der Fortbewegungsapparat war, soweit erkennbar, keinesfalls zu verachten. Sie trug eine kurzärmlige bunte Blümchenbluse und einen schlichten, gerade geschnittenen Rock, der über den Hüften etwas spannte und die wohlgeformten Oberschenkel zur Hälfte bedeckte, an den Füßen flache Sandaletten, die nur aus Sohlen und schwarzen Lederriemchen bestanden. Keine Strümpfe, bei der Hitze.
Alles in allem also ein erfreulicher Anblick, Winni hatte schon Recht gehabt, sie war das Angucken Wert. Den Blick hielt sie gesenkt, während sie auf mich zukam, geschritten kam.
Bettina hatte das Kärtchen schon durchgezogen, und so flimmerte das wenige, was ich die nächsten vierundzwanzig Stunden über Katharina wissen sollte, auf meinem Bildschirm.
Name: Penelope Karathanos, Nationalität: Griechisch, Beruf: Studentin, Vorerkrankungen: nicht bekannt, Versichert: Privat. Privat ist gut.
Ich erhob mich andeutungsweise und drückte ihr, wie es sich gehört, die Hand. Ihr Händedruck war unmerklich leicht. Die Hand schlank und warm, vollkommen trocken.
"Nun, Frau ... Kara-thanos, was kann ich für Sie tun?"
Sie blickte auf und sah mir ins Gesicht mit ihren großen braunen Augen. Da sie stand während ich schon wieder saß, sah sie auf mich herab. Ihr Gesicht war eine Spur zu breit, die Augen standen weit auseinander und sie hatte ein leicht fliehendes Kinn unter dem zu großen Mund. Und ihr Blick, dieser verdammte Blick, hatte etwas von aufgeblendeten Autoscheinwerfern. Man kann nicht wegsehen, wenn man einmal hineingesehen hat und wenn man die Augen endlich in eine andere Richtung gezwungen hat, dann sieht man dennoch nichts anderes. Plötzlich fühlte ich mich durchsichtig, so als ob sie Dinge von mir wüsste, die sonst niemand weiß, nicht einmal ich selbst. Der Motd